Interview mit Herrn Bonaglia vom Baumeisterverband

 

Als Folge der Pandemie, des Ukraine-Konflikts und der Sanktionen gegen Russland sind die Rohstoffpreise in den letzten zwei Jahren in die Höhe geschnellt, begleitet von starken Teuerungsschüben und Problemen bei der Verfügbarkeit. So sind auch die Preise für die Herstellung von Asphalt aufgrund der Verteuerung von Rohstoffen wie Rohmaterialien, Bitumen, Öl und Gas in die Höhe geschnellt. Ist das ein grosses Problem für die Baubranche?

Für die gesamte Bauwirtschaft ist das ein Problem. Den Bauherren fehlt die Kostensicherheit und die Bauunternehmen können nicht verbindlich kalkulieren. Sie können Kostenänderungen nicht in jedem Fall an den Bauherrn weitergeben. Die Hersteller von Bauprodukten, wie beispielsweise Asphalt, wissen nicht, ob und zu welchen Preisen die benötigten Rohstoffe morgen noch zur Verfügung stehen.

Weshalb können Bauunternehmer die Teuerung nicht immer an den Bauherrn weitergeben?

Das hängt von den vertraglichen Vereinbarungen ab. In einem Vertrag kann vorgesehen werden, dass Kostensteigerungen und -senkungen separat behandelt werden oder dass beide Vertragspartner das Teuerungsrisiko tragen. In diesem Fall spricht man von einem Festpreis, unabhängig davon, ob sich die Teuerung positiv oder negativ entwickelt.

Und was sind die Vor- und Nachteile der beiden Vertragsarten?

Bei einem Festpreis wird erst während oder sogar erst nach der Fertigstellung des Bauwerkes feststehen, wer das eingegangene Risiko zu tragen hat. Steigen die Beschaffungspreise, ist der Unternehmer der Verlierer. Sinken die Beschaffungspreise, kann ein zusätzlicher Ertrag erzielt werden. Und beim Bauherrn stellt sich dies umgekehrt dar.
Um zu vermeiden, dass aus Teuerungsänderungen Vor- oder Nachteile für eine Vertragspartei entstehen, sieht die SIA-Norm 118 als eines der wichtigsten Regelwerke im Baugewerbe vor, dass Mehr- oder Minderkosten als Folge der Teuerung gegenseitig zu vergüten sind. Dies ist der einzig faire Weg.

Warum wollen nicht alle Vertragspartner die faire Lösung?

Wir befinden uns in einem Nachfragemarkt. Das heisst, der Bauherr bestimmt, welche Regelungen in einem Vertrag stehen. Es liegt dann am Unternehmer, ob er sich auf diese Vertragsgrundlagen einlässt oder riskiert, den Auftrag nicht zu erhalten. Viele Bauherren haben das Prinzip der Fairness verstanden, leider gibt es aber auch solche, die ihre Nachfragemacht ausnutzen und möglichst viele Risiken auf den Unternehmer abwälzen.

Wie sieht denn eine faire Lösung konkret aus?

Dafür gibt es Teuerungsstandards, die Verfahren zur Ermittlung der Teuerung regeln. Das wichtigste Verfahren ist der Produktionskostenindex PKI.

Und wie funktioniert der PKI?

Vereinfacht gesagt zeigt der PKI in Form eines Index an, wie sich die Baukosten von Quartal zu Quartal verändern. Nun kann man Baukosten nicht pauschal über eine Leiste schlagen, sondern muss verschiedene Arten von Arbeiten unterscheiden.

Gibt es denn im PKI auch eine Arbeitsgattung für Belagsarbeiten?

Es gibt über 30 Arbeitsgattungen, die nach dem sogenannten Normpositionen-Katalog NPK gegliedert sind. Und speziell für Belagsarbeiten gibt es den Normpositionen-Katalog NPK 223, der im Wesentlichen auch den Produktpreis für Walzasphalt abbildet.

Wie muss man sich das vorstellen?

Wir bilden einen Warenkorb – dazu sammeln wir alle Kosten für Arbeit, Materialien, Maschinen und Transport. Dann gewichten wir die einzelnen Kosten und ermitteln deren prozentuale Anteile. Anschliessend werden alle Einzelkosten mit anerkannten Indizes verknüpft. Dies sind beispielsweise Materialpreisindizes, die vom Bundesamt für Statistik (BFS) erhoben werden. Daraus ergibt sich ein Gesamtindex für Belagsarbeiten. Die Veränderung dieses Index über einen bestimmten Zeitraum zeigt dann, wie sich die Baukosten für Belagsarbeiten verändert haben.

Stimmt dieser Index denn genau mit den tatsächlichen Kosten überein?

Nein, das kann kein Index. Ein Index hat nur die Aufgabe, sich der Wahrheit anzunähern. Es handelt sich also um Durchschnittswerte, die im Einzelfall in beide Richtungen abweichen können.

Aber Walzasphaltarbeiten können ja unter ganz unterschiedlichen Bedingungen ausgeführt werden. Ist der Index dann noch annähernd genau?

Genau das ist das Problem. Die Kostenstruktur für Belagsarbeiten in einer Quartierstrasse, einer Hauptstrasse oder einer Schnellstrasse ist unterschiedlich. Bei einer normalen, also mehr oder weniger linearen Teuerungsentwicklung über alle Teilbereiche des Warenkorbs hinweg ist das noch kein Problem. Die Teuerungsentwicklung der letzten zwei Jahre hat aber gezeigt, dass sich die Kosten in einem Bereich des Warenkorbs sehr unterschiedlich entwickelt haben. Stimmt nun der Warenkorb nicht mit der Kostenstruktur des Bauwerks überein, kann die Teuerung nicht mehr befriedigend abgebildet werden.

Lässt sich nichts dagegen machen?

Doch, wir haben bereits gegengesteuert. In Absprache mit asphaltsuisse haben wir die Arbeitsgattung Belagsarbeiten differenziert. Konkret haben wir neue Warenkörbe entwickelt, die den unterschiedlichen Kostenstrukturen Rechnung tragen. So gibt es im PKI neue Indizes für Belagsarbeiten mit durchschnittlichem, mit erhöhtem und mit hohem Belagsanteil. Im Wesentlichen geht es also um das Verhältnis zwischen Arbeit und Material.

Sind nun mit drei verschiedenen Indizes alle Unschärfen beseitigt?

Ich würde mal sagen, dass wir damit etwas näher an der Kostenwahrheit sind.
Die drei Indizes setzen sich aus zahlreichen Einzelwerten zusammen. Der wichtigste Wert ist der Materialpreisindex für Mischgutprodukte. Er wird vom Bundesamt für Statistik nur alle drei Monate erhoben. In einer sehr volatilen Phase werden Preisänderungen daher nur verzögert oder unzureichend abgebildet.

Aber das liesse sich ändern?

Sicher, aber das liegt nicht in unserer Macht und würde auch nicht immer Sinn ergeben. Zum einen ist Kontinuität ein sehr wichtiger Faktor für eine Statistik, zum anderen ist das BFS nicht in der Lage, solche Anpassungen kurzfristig vorzunehmen oder zu bewältigen. Das grösste Problem ist aber wohl die stetig abnehmende Bereitschaft der Marktteilnehmer, dem Bundesamt regelmässig Preismeldungen zu liefern. Dies ist aber die wohl wichtigste Voraussetzung für eine gute Statistik. Wenn beispielsweise in der ganzen Schweiz nur vier Anbieter bereit sind, regelmässig Preismeldungen für ein bestimmtes Produkt an das BFS zu liefern, darf man sich nicht wundern, wenn der Durchschnittswert nicht nah genug an der Kostenwahrheit liegt.

Normalisiert sich die Teuerung für Baumaterial wieder?

Um diese Frage zu beantworten, bräuchte ich wohl eine Kristallkugel. Generell sind im vierten Quartal sinkende Preise zu beobachten, auch wenn es Ausnahmen gibt.
Bei Asphaltbelägen sind die gesunkenen Öl- und Gaspreise ausschlaggebend. Die Weltwirtschaft sieht auch nicht rosig aus. Deshalb erwarte ich in nächster Zeit eine Beruhigung, sofern die geopolitische Situation dies zulässt.