Ungewöhnliche Zeiten erfordern Flexibilität

Reaktion auf die Teuerung bei Asphaltprodukten

Verschiedene Ereignisse in der Welt haben in den letzten drei Jahren zu teilweise massiven Preissteigerungen bei Strom und Energieträgern wie Öl und Gas geführt. Auch Bitumen verteuerte sich aufgrund der gestiegenen Ölpreise. Asphaltsuisse setzte sich erfolgreich dafür ein, dass solche Teuerungen aufgrund ungewöhnlicher Ereignisse in Zukunft besser und realistischer in den Rechenmodellen gemäss Normpositionen-Katalog abgebildet werden. Ein komplexes Thema, das wir hier zunächst einmal ganz grundsätzlich beleuchten wollen. Und wir freuen uns sehr, Ihnen zum Abschluss mit unserem Kurzinterview mit Herrn Loris Bonaglia, Leiter Technik & Betriebswirtschaft beim Schweizerischen Baumeisterverband, noch einen Expert`s Insight präsentieren zu können.

Teuerungen kennen wir alle aus unserem Alltag. Kaum etwas wird jemals billiger. Meist steigen die Preise im Laufe der Jahre, ebenso wie die Löhne. Das kennen wir als normale Inflation. Manchmal werden Produkte aber auch aus anderen Gründen teurer. So kann es sein, dass ein für das Produkt benötigtes Bauteil oder ein notwendiger Rohstoff aufgrund hoher Nachfrage auf dem Weltmarkt teurer wird und damit das gesamte Produkt verteuert.
Wird die Herstellung eines Produktes durch besondere Umstände teurer oder steigen beispielsweise die Transportkosten für dieses Produkt, dann steigt auch der Verkaufspreis für dieses Produkt.

Besonderheiten der Baubranche

Doch so einfach wie im Detail- oder auch Grosshandel ist es in der Bauwirtschaft nicht. Diese Branche hat ihre eigenen Regeln, denn die Art und Weise, wie hier Leistungen erbracht oder Produkte eingesetzt werden, ist sehr speziell und mit vielen anderen Branchen nicht vergleichbar.
In der Baubranche ist es häufig nicht so, dass ein Produkt gekauft wird und damit der Geschäftsvorgang abgeschlossen ist. Der Verkehrswegebau ist ein gutes Beispiel für die Besonderheiten der Branche. Wird ein Autobahnabschnitt saniert, sehen wir die ersten Schilder mit dem Hinweis: Hier wird ab Mitte nächsten Jahres bis 2025 auf 5 km saniert. Allein diese Schilder weisen auf einige Besonderheiten hin.

Das Bauprojekt muss also bereits geplant sein. Das bedeutet auch, dass der Bauherr schon heute einen Überblick darüber haben muss, was das Projekt kosten wird, denn er muss die finanziellen Mittel dafür bereithalten. Die Sanierung selbst beginnt eventuell erst im kommenden Frühjahr. Dann wird sie im Winter unterbrochen und im nächsten Jahr fortgesetzt. Mit der Fertigstellung ist erst in zwei Jahren zu rechnen.

Berücksichtigung der Teuerung

Die Teuerung wird bei einem Bauprojekt von Anfang an berücksichtigt. Die allgemeine Teuerung einzelner Produkte wird vom Bundesamt für Statistik regelmässig erhoben. Das gilt für Milch und Schokolade, aber auch für Baustoffe. Die so erhobenen Daten nutzt der Baumeisterverband, um Rechenmodelle für die Teuerung von Bauarbeiten über bestimmte Zeiträume zu erstellen – die Methode «Produktionskostenindex nach Normpositionen-Katalog». Es gibt seit Jahrzehnten bewährte Mechanismen – eben diese Rechenmodelle, welche die entstehende Teuerung von Arbeiten und Material im Laufe eines Bauprojekts realitätsnah abbilden und vorausberechnen können.
Diese Rechenmodelle wurden jedoch entwickelt, um eine normale, reguläre Preissteigerung in einem bestimmten Zeitraum zu berechnen, die auf normale volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen und Entwicklungen zurückzuführen ist. Eine solch normale Teuerung ist zum Beispiel die Inflation. Die ist mal etwas höher, mal etwas niedriger. Sie hat Auswirkungen auf Preise, aber meist auch auf die Reallöhne. Die bestehenden Rechenmodelle können solche Entwicklungen gut abbilden, sodass die Risiken einer solchen Teuerung fair auf alle an einem Bauprojekt Beteiligten verteilt werden. Doch was in den letzten Monaten und Jahren passiert ist, war keine normale Entwicklung. So sind zum Beispiel die Energiepreise oder die Preise für Energieträger und deren Transport ganz isoliert und sprunghaft extrem gestiegen.

 

Realitätsnahe Abbildung der Teuerung

Planungssicherheit und Vertrauen sind zwei wichtige Bausteine für jedes Bauprojekt, insbesondere wenn es sich um ein langfristiges Projekt handelt, wie etwa der Bau von Infrastrukturen oder Immobilien. An solchen Projekten sind immer viele Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen beteiligt. Sie alle brauchen Planungssicherheit, dass dieses Projekt wirklich startet, dass es auch wirklich termingerecht durchgeführt und fertiggestellt wird – sie alle planen Personal, Mittel und Material ein. Und alle wollen vertragsgemäss vom Bauherrn bezahlt werden. Auf der anderen Seite braucht der Bauherr auch die Sicherheit, dass die beteiligten Unternehmen die vereinbarte Leistung im vereinbarten Zeitraum zum vereinbarten Preis erbringen. Überall kann es zu Verzögerungen kommen – oder auch zu Risiken in Form von Teuerungen. So können die Löhne während der Projektlaufzeit steigen oder auch die Preise für Baustoffe oder Energie. Diese Risiken müssen möglichst gerecht verteilt und kalkuliert werden.
Das bedeutet, dass für den Bauherrn das Risiko, dass das Projekt plötzlich unbezahlbar wird, minimiert werden muss – ebenso das Risiko für die beteiligten Unternehmen, dass allfällige Teuerungen in ihrem Bereich nicht vollumfänglich zu ihren Lasten gehen und sie im ungünstigsten Fall während eines Bauprojekts in Insolvenz gehen müssen. Rechenmodelle, welche die normale Teuerung berücksichtigen, sind sicher keine Ideallösung. Sie bilden die Realität nicht absolut ab, aber sie kommen ihr hinreichend nahe. Gibt es keine vollkommen irregulären, die Wirtschaft betreffenden Ereignisse, so bekommt der Bauherr einen guten Überblick über die Kosten eines Projekts. Und die beteiligten Unternehmen haben eine seriöse Planungsgrundlage für das, was sie abrechnen können, inklusive vieler Einflussgrössen, die sich im Laufe der Zeit ergeben, wie die normale Teuerung durch Inflation. Daher spricht man nicht von realitätsgetreuen, sondern von realitätsnahen Rechenmodellen.

In der Baubranche gibt es viele Szenarien und Einflussgrössen für die Berechnung von Preisen und Teuerungen. Viele Rohmaterialien wie Stahl oder Bitumen haben schwankendeTagespreise. Sie kennen das von der Tankstelle, wo sich die Preise für Super oder Diesel mehrmals täglich ändern. Die Anzeige an der Tankstelleneinfahrt zeigt «Super 1.85 CHF». Bis Sie an der Zapfsäule sind, können es bereits 1.89 CHF sein. Doch wenn Sie an der Kasse sind, steht auf der Anzeige 1.82 CHF. Was gilt nun? Der Preis bei der Einfahrt, der zu Beginn des Tankvorgangs – oder der Preis beim Bezahlvorgang? Hier sprechen wir von kleinen Schwankungen innerhalb von Minuten für ein einziges Produkt, also einen Rechnungspunkt. Bei Bauprojekten offerieren die Bauunternehmen jedoch komplexe Arbeiten, die aus vielen Einzelpunkten bestehen, die sich über Monate hinziehen und vielleicht auch erst in sechs Monaten beginnen. Hier sind solche detaillierten Einzelabrechnungen gar nicht möglich. Und schlimmer noch, eine seriöse Offertenerstellung wäre unmöglich.

Daher wird ein zusammengesetzter «Warenkorb» mit der Bezeichnung «Asphaltarbeiten» als Ganzes offeriert. Hier spricht man auch von einer «Arbeitsgattung» gemäss dem Normpositionen-Katalog NPK. Darin enthalten sind teilweise Erdarbeiten, der Preis für Mischgut, Einbauarbeiten, Kanalarbeiten und das Verlegen von Randabschlüssen bis hin zu Markierungsarbeiten auf der fertigen Fahrbahn. Für diese zusammengesetzten «Warenkörbe», die in der Baubranche üblich sind, berechnen die bestehenden Rechenmodelle die Teuerungen möglichst realitätsnah mithilfe der vom Bundesamt für Statistik erhobenen statistischen Daten. Das Bundesamt erhebt für viele der «Warenkorb-Punkte» in unterschiedlichen Zeitabständen die aktuellen Preise – die dann allerdings bei Punkten, die starken Schwankungen unterliegen, schon eine Woche später ganz anders aussehen können. In einer Annäherung an die Realität ermitteln die Rechenmodelle dann für solche kompletten «Warenkörbe» die Teuerung über die Zeit. Es kann aber auch sein, dass sich einzelne Positionen verbilligen. Auch eine solche, für den Bauherrn erfreuliche Entwicklung soll fair weitergegeben werden, nicht nur Preiserhöhungen. Einige Positionen werden teurer, andere günstiger. Die Teuerung wird dann für den gesamten Warenkorb berechnet.

Warum nicht einfach das Preisschild austauschen?

Asphalt stellt in der Regel kein eigenständiges Produkt dar, das der Mischguthersteller dem Bauherrn direkt in Rechnung stellt. Das Mischgut ist nur ein Teil von vielen Bestandteilen im «Warenkorb» Asphaltarbeiten, die vom Bauunternehmer für ein Bauprojekt angeboten werden. Der Bauunternehmer wurde vorgängig aufgefordert, eine Offerte für ein Bauprojekt abzugeben. Dazu hat er beim Mischgutproduzenten nachgefragt, wie viel er für den Einkauf der benötigten Tonnen Mischgut bezahlen muss, um eine Grundlage für seine Offerte zu haben. Das Mischgut stellt, wie bereits beschrieben, nur einen Teil der Kostenpunkte dar, und auch dieser Teil variiert in seiner relativen Höhe im «Warenkorb». Wenn das offerierte Bauprojekt dann in acht Monaten beginnt, kann sich Mischgut bis dahin um 10 Prozent oder mehr verteuert haben – Kosten, die der Bauunternehmer nicht einfach so an den Bauherrn weitergeben kann, denn der Bauherr hat ja eine Offerte vorliegen. Auf der anderen Seite wäre es aber auch unfair, wenn der Mischgutproduzent, der die Weltmarktpreise wie etwa für Bitumen oder Erdgas auch nicht beeinflussen kann, dieses Risiko allein tragen müsste – und Mischgut zu Preisen über den Produktionskosten liefern müsste.

Die Grenzen der Modelle zur Berechnung der Teuerung

Die aktuelle Situation stellt keine normale Teuerung dar. Es ist nicht so, dass einfach alle Rohstoff- und Energiepreise steigen würden – zusammen mit den Löhnen. Dann hätten wir nur eine normale, wenn auch erhöhte Inflation. Damit können die bisherigen Rechenmodelle umgehen. Wir haben in den letzten Monaten gesehen, dass teilweise einige Produkte, wie etwa Strom und Erdgas, und durch den Ölpreis auch Bitumen, sich völlig überproportional im Vergleich zu anderen Kostenpunkten verteuert haben. Dies belastet vor allem die Mischgutproduzenten. Aus Umweltschutzgründen haben viele Anlagenbetreiber von Erdöl auf Erdgas als Energieträger umgestellt, und hier ist der Preisanstieg besonders massiv. Auch Strom ist nicht nur teuer, sondern auch knapp. Dasselbe gilt für Bitumen. Mischgut wird aber nicht als Einzelposition abgerechnet, sondern als Bestandteil des «Warenkorbs» Asphaltarbeiten. Es ist ein Kostenpunkt unter vielen. Würde sich die Teuerung auf alle Kostenpunkte gleichermassen beziehen, könnten die Rechenmodelle dies abbilden und damit auch die Teuerung beim Mischgut angemessen berücksichtigen – diese wäre dann nicht überproportional zur Teuerung der restlichen Kostenpunkte des «Warenkorbs», sondern im Einklang mit dieser.

Doch weder die Löhne noch die Preise für Kanalarbeiten, Randsteine, Erdarbeiten oder Fahrbahnmarkierungen sind überproportional gestiegen. Die Teuerung trifft die Mischgutindustrie und ihre Produkte relativ isoliert.

Die überproportionale Teuerung beim Mischgut und die weniger stark ausgeprägte Teuerung bei anderen Punkten des «Warenkorbs» Asphaltarbeiten ist der eine Aspekt. Der andere Aspekt ist, dass Mischgut in seiner relativen Auswirkung auf den Preis des gesamten «Warenkorbs» Asphaltarbeiten stark variiert, was zu weiteren Verzerrungen zulasten der Mischgutproduzenten führen kann.

Nehmen wir gleich wieder Beispiele aus der Praxis: Wenn 500 Meter Gehweg gebaut werden, dann wird dafür eine überschaubare Menge an Mischgut benötigt. Dieser Kostenpunkt fällt daher im Vergleich zu den anderen Kostenpunkten des Gesamtprojekts gar nicht so sehr ins Gewicht, da es sich hier meist um arbeitsintensiven Handeinbau handelt. Die Mischgutkosten stellen hier im Vergleich zu den Lohnkosten einen eher untergeordneten Kostenpunkt dar. Steigende Mischgutpreise würden sich hier weniger stark auf den Preis des Gesamtprojekts auswirken – stark steigende Lohnkosten hingegen schon.

Beim Bau einer Autobahn oder einer Kantonsstrasse hingegen ist der Kostenpunkt «Mischgut» der weitaus grösste Kostenfaktor im «Warenkorb» Asphaltarbeiten. Hier erfolgt der Einbau weitgehend maschinell, d. h. mit grossen Maschinen, die in kurzer Zeit enorme Mengen Asphalt einbauen können, und mit relativ wenig menschlichen Arbeitsstunden. Bei einem solchen «Warenkorb» würden steigende Lohnkosten im Laufe des Projekts kaum zu einer Verteuerung des gesamten «Warenkorbs» führen – eine Verteuerung des Mischgutes hingegen würde den Preis für den «Warenkorb» Asphaltarbeiten National- oder Kantonsstrasse massiv in die Höhe treiben.

Die Idee der differenzierten «Warenkörbe»

In der Vergangenheit gab es bereits unterschiedliche «Warenkörbe». Diese orientierten sich aber weniger an dem Anteil des Punktes «Mischgut» am Gesamtpreis des «Warenkorbs», sondern hier wurde eher zwischen verschiedenen Mischgutsorten – oder genauer – zwischen der Verwendung unterschiedlich teurer Bitumensorten unterschieden. In der Praxis zeigte sich aber, dass diese Unterscheidung oft gar nicht relevant ist.
Vielmehr wäre es zielführend, die «Warenkörbe» Asphaltarbeiten danach aufzuteilen und zu verfeinern, welchen Anteil der Kostenpunkt Mischgut letztlich zum Gesamtpreis des jeweiligen «Warenkorbs» beiträgt, denn die effektiven Preissteigerungen werden für das Einzelprodukt Asphalt bereits statistisch durch den PKI (Produktkostenindex) erfasst.
Wenn das Mischgut in seiner Gewichtung, also seinem Einfluss auf den Gesamtpreis des «Warenkorbs» Asphaltarbeiten, für ein Bauprojekt realitätsnäher berücksichtigt wird, kann auch eine ungewöhnliche Entwicklung bei der Teuerung besser in den Rechenmodellen zur Teuerung abgebildet werden.

Asphaltsuisse hat sich sehr dafür eingesetzt, dass es hier zu realitätsnäheren Anpassungen kommt, um eine einseitige Belastung der Mischgutproduzenten in besonderen wirtschaftlichen Situationen abzumildern. Dazu wurden verschiedene Ideen und Gedankenexperimente durchgespielt. Am Ende wurde ein Mechanismus gefunden, der aus Sicht von asphaltsuisse zu mehr Fairness und Transparenz beiträgt. Ab sofort wird es mehrere, abgestufte «Warenkörbe» für Asphaltarbeiten geben. Die Abstufungen beziehen sich nun auf den relativen Anteil des Asphalts in einem Projekt am Gesamtpreis des «Warenkorbs».
Wir von asphaltsuisse glauben, gemeinsam mit dem Schweizerischen Baumeisterverband eine gute, realitätsnahe und faire Lösung gefunden zu haben. Natürlich muss die Zukunft erst zeigen, ob diese zufriedenstellend für alle Seiten ist. Wir betreten hier Neuland. Aber wie immer gilt, dass eine offene und vertrauensvolle Kommunikation und der gute Wille auf allen Seiten notwendige Veränderungen schnell anstossen können.

Lesen Sie im Anschluss detailliertere Ausführungen zum Problem und der nun gefundenen Lösung in unserem Expert`s Insight von Herrn Loris Bonaglia, Leiter Technik & Betriebswirtschaft beim Schweizerischen Baumeisterverband. hier klicken

Interview mit Loris Bonaglia

Asphalttechnik
Interview mit Herrn Bonaglia vom Baumeisterverband   Als Folge der Pandemie, des Ukraine-Konflikts und der Sanktionen gegen Russland sind die Rohstoffpreise in den letzten zwei Jahren in die Höhe geschnellt,…