Das revidierte CO2-Gesetz

Mit dem revidierten CO2-Gesetz soll der Treibhausgas-Ausstoss bis 2030 gegenüber dem Jahr 1990 um die Hälfte reduziert werden. Die heutigen Massnahmen genügen laut dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) nicht, um dieses Klimaziel zu erreichen. Das revidierte CO2-Gesetz beruht nicht auf Verboten, sondern setzt auf die bewährte Kombination von finanziellen Anreizen, Investitionen in den Klimaschutz und tech- nischem Fortschritt. Da gegen das CO2-Gesetz das fakultative Referendum ergriffen wurde, stimmt die Bevölkerung am 13. Juni 2021 darüber ab.

Interview mit René Baggenstos, Geschäftsleitender Partner der Enerprice Partners AG, über das CO2-Gesetz und was auf die Anlagenbetreiber zukommt

René Baggenstos: Die Schweiz kennt ein CO2-Gesetz bereits seit dem Jahr 2000. Am 01.01.2008 wurden CO2-Abgaben eingeführt. Im Herbst 2020 verabschiedete das Parlament eine Teilrevision, gegen welche das Referendum ergriffen wurde und wir Schweizerinnen und Schweizer am 13. Juni 2021 darüber befinden können. Dann werden wir genauer wissen, wie die künftige Gesetzeslage aussehen wird.

René Baggenstos: Mit diesem Gesetz wollen wir in der Schweiz unseren Beitrag dazu leisten, dass der Temperaturanstieg auf der Erde auf maximal 2 °C begrenzt wird. Ausgangswert ist das Temperaturniveau vor der Industrialisierung.

René Baggenstos: … den Ausstoss der Treibhausgase reduzieren.

René Baggenstos: Nun ja, es gibt ja natürliche Mechanismen, welche der Atmosphäre Treibhausgase wie CO2 entziehen. Pflanzen verbrauchen im Rahmen der Photosynthese viel Kohlenstoffdioxid. Wenn Gesteine verwittern, binden sie ebenfalls CO2. Auch die Ozeane binden sehr viel CO2. Bis zum Jahr 2050 wollen wir erreichen, dass wir nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als wieder gebunden wird – sei es durch diese natürlichen Prozesse oder auch mit künstlichen Verfahren.

René Baggenstos: Konkret wollen wir ab 2030 nur noch die Menge an Treibhausgasen ausstossen, die 50 Prozent der Menge aus dem Jahr 1990 entspricht. Und von jetzt bis 2030 muss der Durchschnitt jährlich 35 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen.

René Baggenstos: Das Gesetz sieht Massnahmen in den Bereichen Umwelt, Energie-, Abfall-, Land-, Wald-, Finanz- und Holzwirtschaft, Strassenverkehr und Mineralölbesteuerung vor. Die Massnahmen sollen zu mindestens Dreiviertel hier bei uns in der Schweiz umgesetzt werden.

René Baggenstos: Hmm, ich glaube, wenn Sie die Massnahmen auf der Infoseite anschauen, dann betrifft das Gesetz so ziemlich alle Branchen auf die eine oder andere Weise. Wie einschneidend diese konkret werden, kann man jetzt noch nicht sagen. Ich glaube aber, dass zum Beispiel für die Finanzindustrie die europäischen Nachhaltigkeitsinvestitionsvorgaben für Pensionskassen und Staatsfonds viel einschneidender sein werden.

René Baggenstos: Die Wichtigkeit ergibt sich selbstredend aus dem stattfindenden Klimawandel. Gerade für unser fragiles Alpen-Ökosystem sind die Auswirkungen massiv. Für mich spielt es dabei auch keine Rolle, ob die Schweiz allein diese Veränderung aufhalten kann. Ich bin in den Innerschweizer Bergen aufgewachsen und habe schon früh gelernt, dass vor der eigenen Haustüre geputzt werden soll.

René Baggenstos: Vieldiskutiert ist das Gesetz einerseits, weil es doch viel einschränkender ausgefallen ist, als frühere Versionen. Zum ersten Mal wurden bislang «heilige Kühe» wie Treibstoffpreiserhöhung, Flugticketabgabe oder faktische Verbote von fossilen Heizungen an- gegangen. Diese Massnahmen sind für einen grossen Teil der Bevölkerung direkt spürbar und entsprechend unbeliebt.

René Baggenstos: In der Industrie führt das leider zu grossen Unsicherheiten. Würde das Gesetz am 13. Juni verworfen, wäre es ohne schnelle parlamentarische Sonderaktion in Bern ab 2022 nicht mehr möglich, die CO2-Abgaben rückerstattet zu bekommen.

René Baggenstos:  Jetzt sich damit zu befassen, ist eigentlich schon zu spät. Bis zum 28. Februar mussten sich Anlagenbetreiber mit mehr als 10 MW Feuerungsleistung entscheiden, ob sie im europäischen EHS-Modell mitmachen möchten oder aber im aktuellen Schweizer nonEHS-Modell. Das EHS-Modell ist finanziell weniger attraktiv, und beim nonEHS Modell besteht die Gefahr, dass bei einem Nein zum CO2-Gesetz am 13. Juni ab 2022 die Abgaben nicht mehr zurückgeholt werden können. Die immer höher werdenden CO2-Abgaben machen bei Asphaltwerken aktuell rund 1,5 bis 2 CHF Herstellungskosten pro Tonne Asphalt aus, Tendenz steigend.

René Baggenstos: Emissionshandel ist relativ einfach zu erklären, Da gibt es den europäischen Emissionshandel: Die EU und die Schweiz haben sich darauf geeinigt, dass grosse CO2-Emittenten mit Feuerleistungen grösser als 20 MW ihren Ausstoss verringern müssen. Dazu wird für jede Branche ein Absenkpfad vorgegeben. Für einen Teil der aktuellen Emissionen bekommen die Anlagenbetreiber sogenannte Emissionsrechte oder auch European Emission Allowances. Das dürfen sie sich wie kostenfreie Gutscheine zum Ausstoss von CO2 vorstellen. Diese Gutscheine decken aber natürlich nicht den ganzen Ausstoss ab, sondern, um bei dem Beispiel Asphaltmischwerke zu bleiben, ca. 30 Prozent dessen, was sie ausstossen. Die Ausstoss-Rechte für die übrigen 70 Prozent müssen die Werke einkaufen, entweder über Auktionen des BAFU oder eben via Emissionshandel – oder, noch besser, dank Reduktionsmassnahmen gar nicht erst benötigen.

René Baggenstos: Bei den CO2-Kompensationen gibt es eine Fülle von Möglichkeiten. Zunächst gilt es hier zwischen gesetzlich geregelter und freiwilliger CO2-Kompensation zu unterscheiden.

René Baggenstos: Das CO2-Gesetz verpflichtet Treibstoffimporteure, einen Teil des CO2-Ausstosses von Fahrzeugen zu kompensieren. Dies wird mittels Finanzierung von CO2-Verminderungsmassnahmen erreicht und über die Stiftung Klik abgewickelt. So können beispielsweise Fernwärmenetzbetreiber Geld dafür bekommen, dass sie Heizölheizungen durch Fernwärmeanschlüsse ersetzen. Auch können Unternehmen im Schweizerischen nonEHS aktuell noch in einem gewissen Mass für unwirtschaftliche Massnahmen die dadurch entstandene CO2-Reduktion an Klik verkaufen.

René Baggenstos: Das Prinzip ist auch hier ähnlich, nur dass die CO2-Reduktionen, welche verkauft werden sollen, mehr oder auch weniger stark von privaten Organisationen überwacht werden. Immer mehr Unternehmen haben beschlossen, einen Teil der durch sie verursachten Emissionen mittels Kompensationszertifikaten auszu- gleichen. Solche Kompensationszertifikate können beispielsweise durch Verdichten von Wäldern im Muotathal, Anbauen von Orangenplantagen in Südafrika oder Stilllegungen von Zementwerken in der Ukraine zustande kommen. Diese Art Kompensation bedeutet also, dass Massnahmen und Projekte gefördert werden, welche CO2 binden und der Atmosphäre entziehen – wie eben das Pflanzen von Wäldern oder andere Pflanzprojekte. Daran kann man schön sehen, wie Klimaschutz mit anderen Bereichen des Umweltschutzes zusammenhängt: Indem Wälder gepflanzt oder verdichtet werden, leisten wir ja einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität, also zum Erhalt der Artenvielfalt und Lebensräume von Pflanzen und Tieren.

René Baggenstos: … ja genau, stillzulegen oder durch neue, viel effizientere Anlagen zu ersetzen. Das ist ein weiterer, sinnvoller Effekt der Kompensation.◙

Dipl. Ing. FH, NDS FH René Baggenstos

Geschäftsleitender Partner bei Enerprice Partners AG

Dipl. Ing. FH, NDS FH René Baggenstos (51 Jahre) ist Geschäftsleitender Partner bei Enerprice Partners AG und beschäftigt sich im Rahmen seiner Tätigkeit mit den Themen Energiebeschaffung, Energieeffizienz und Dekarbonisierung. Er ist Vater zweier erwachsener Kinder und wohnt in Brunnen SZ. Im Nebenamt ist er amtierender Kantonsratspräsident des Kantons Schwyz.

Infokasten